Friesenmomente

Sporthafen Neptunus im Außenhafen von Delfzijl
Sporthafen Neptunus im Außenhafen von Delfzijl

Die letzten Schleusentore im Emskanal spuckten uns förmlich aus der Kammer zurück auf die Nordsee. Der Hafen von Delfzijl empfängt uns bei Hochwasser, optisch wenig reizvoll und technisch eher nüchtern. Auf leeren Kaimauern liegen vereinzelte Containertürmchen und hier und da wartet ein kleines Containerschiff auf seine Fracht. Eine Welt aus Kränen und kastenförmigen Lagerhallen, Antennentürmen und Lichtmasten.

Industriell, praktisch, funktionell. Solange Häfen wie dieser in Betrieb sind, hat auch das nicht weniger Charme, als das touristisch Niedliche, kleiner Fischerhäfen. Doch anders als in diesen Fischerhäfchen verliert sich dieser Charme sofort in Tristesse, wenn Ruhe im Hafen einkehrt, Kräne stillstehen und Kaumauern unbenutzt bleiben.

Am Ende des Hafens hat sich ein Segelclub ausgebreitet und bietet auch Liegeplätze für Durchreisende an. Elf Euro zahlen wir für das Boot pro Nacht; über die Kurtaxe können wir nur lachen. – Delfzijl scheint eine Kur nötiger zu haben als wir.

Kanalfahrt in Holland. - Mitten durch Dörfer und Wiesen
Kanalfahrt in Holland. – Mitten durch Dörfer und Wiesen

Unsere Erholung hatten wir auf der anderen Seite der Schleuse, jenseits von Dämmen und Wehren. Vier Tage dauerte die Reise von Harlingen hier her. Erwartet hatte ich eine langweilige Kanalpassage, geliefert hat uns Holland mit seiner Staande Mastroute eine Fahrt durch Kuhweiden und kleine Städtchen wie im Bilderbuch.

Eigentlich wollten wir ja aber hier an der Ems gar nicht herauskommen und vom IJsselmeer in die Nordsee und schnellen Schrittes weiter außen entlang der Friesischen Inseln nach Helgoland führen.

Vlieland Marina
Vlieland Marina

Ausgebremst durch den Tidenstrom und auflandigen Wind verpassen wir dieses Ziel aber schon am zweiten Tag nach dem Start. Walters Jule ist ein gemütliches Boot, das sich Wind gegen Strom an der Kreuz gut schlug und auch eine Weile hoch am Wind auf der Nordsee problemlos wegstecken würde. Aber sie ist kein Rennboot, die Besegelung ist schon ein wenig Bauchig und am Ende führte die Grundregel des erholsamen Fahrtensegelns „Gentleman don’t tack“ in den Hafen von Vlieland.

Schleuse Kornwerderzand
Schleuse Kornwerderzand

Am folgenden Morgen, statt wie geplant abends aus dem Seegatt zu laufen, verschob unsere Ankunftszeiten für den rest der Reise erheblich: Statt mittags hätten wir nun Borkum theoretisch um 23:30 Uhr erreicht. Zwar bei Vollmond, aber unter einer geschlossenen Wolkendecke. Diesen Zwischenstopp hat uns die Wettervorhersage aufgedrängt: Mit den Wolken war ein Winddreher von West auf Ost angekündigt, von schiebenden vier Windstärken auf bremsende sechs.

Statt im Dämmerlicht um fünf Uhr morgens durch das Gatt in die Nordsee zu laufen verordneten wir uns ein langes Frühstück

Einen Tag später zu starten, bedeutet den Wetterumschwung noch früher abzubekommen und die letzten zwei Tage der Reise hoch am Wind gegen ihn an segeln zu müssen. – Statt im Dämmerlicht um fünf Uhr morgens durch das Gatt in die Nordsee zu laufen verordneten wir uns ein langes Frühstück im Hafen und segelten mit auflaufend Wasser im Nacken zurück in Richtung Harlingen.

Ein für mich neues Holland abseits des überlaufenen IJsselmeeres
Ein für mich neues Holland abseits des überlaufenen IJsselmeeres

Quer durchs Land zieht sich von dort aus ein Kanalnetz, auf dem Segelyachten mit Stehendem Mast bis zur Ems schlechtes Wetter auf der Nordsee umgehen können.

Da dieses Kanalsystem komplett über Schleusen geregelt ist, kommt es meist ohne Deiche aus. Dafür bietet es einen weiten Blick in das flache Land und führt durch beschaulich schmucke Dörfer.

Wieder auf einer Reise Mitten durchs Land, diesmal Holland statt USA
Wieder auf einer Reise mitten durchs Land, diesmal ganz beschaulich in Holland statt den USA

Vielleicht muss man einmal diese Strecke gefahren sein, um überhaupt sagen zu können, man war schon mal in Holland. Denn bisher kannte ich nur die kleine, in rheinischer Kultur erstickte Region rund ums IJssellmeer. Unsere Kanalfahrt aber ließ eine andere Welt vorbeiziehen. – Nicht weniger vom Tourismus geprägt, aber weit authentischer.


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