Im Fieberwahn durch Feuerland

Neben mir brutzelt ein T-Bone Steak in der Pfanne. Keine schlaue Idee, an einem trüben Tag in der Karibik, wenn der Kocher im Nu das ganze Boot auf 32 Grad aufheizt. Aber ich meckere nicht. Ich freue mich auf mein Abendessen. Viel zu selten hatte ich in den letzten Wochen einfach nur an Bord für mich allein gekocht, Musik gehört und den klanglosen Übergang vom Tag zur Nacht im süßen Nichtstun verbracht.

 

Hal Roth, Two Against Cape Horn
Two Against Cape Horn

In den letzten Wochen geriet die Work-Life-Balance irgendwie etwas aus den Fugen. Das passiert, wenn man neben spannenden Projekten (dazu komme ich später) und der üblichen Arbeit noch ein Boot flott machen will. Erst bleibt das Flottmachen auf der Strecke, dann man selbst: Zum ersten Mal seit meinem Reisebeginn liege ich fast eine komplette Woche mit Fieber an Bord in der Koje.

Die Lebensgeister hält in diesen Tagen ein Buch aufrecht. Es ist fast so alt wie ich und handelt vom Ziel meiner nächsten langen Etappe zu einer Zeit, in der Segeln nach Patagonien ein noch verrückteres Abenteuer war als heute. „Alle Segler vergangener Zeiten haben über Kap Hoorn in einem Atemzug gejammert und es bejubelt, die Erfahrung verflucht und sie noch in der gleichen Minute geliebt. Denn das Kap war das größte Abenteuer ihres Lebens“, schreibt Hal Roth im ersten Kapitel von Two Against Cape Horn im Jahr 1978 (auch als deutsche Übersetzung).

Schnell wird klar, dass es ihm nach seinem Abenteuer genauso erging. Das trotz aller Vorbereitung unüberwindlich scheinende Hindernisse auftauchten, dass sein Glaube an sich und das Boot in Frage gestellt wurden er trotzdem zu fasziniert ist von den schrecklichen Stürmen und der unbehaglichen Umgebung, als dass all dies nicht im Rückblick von blanker Begeisterung überschattet werden würden. Selbst, dass er mit seinem Boot strandet und die Reise beinahe scheitert, wächst zu einem beinahe beneidenswert erscheinenden Umstand.

Hal Roth ist als Autor mehrerer Segelbücher eine feste Größe. Doch anders als in seinen, sonst ehr sachlichen Büchern, zeichnet er hier das Wahrwerden eines Traumes nach. Mit jeder Seite schwanke ich zwischen Angst vor dem Bevorstehenden und einer immer größer werdenden Neugierde auf eine Strecke, die bei den meisten anderen Seglern um mich herum eher Kopfschütteln hervorruft.

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Aber während hier die Überquerung des Pazifiks das große Theme des Augenblicks ist, und sich Crew um Crew gegenseitig von Südeseeatollen vorschwärmt, verformen sich meine Lippen zu einem immer breiteren Lächeln beim Gedanken daran, nach meiner Passage des Panamakanals aus dem Tross auszuscheren und nach Süden abzudrehen. Mit langen Schlägen und erhobener Brust dem Höhepunkt dieser Reise entgegen.


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