Ein halbes Jahr fast ohne Papierkarte

Weilers Welt | Papier ist Schnee von gestern

In der Juliausgabe von segeln stellte ich in meiner Kolumne „Weilers Welt“ die Frage: Wozu brauchen wir heute noch Papierkarten? Ich jedenfalls habe mich auf meiner Reise schon vor einer Weile davon verabschiedet.

Keine Angst vor der dunklen Seite der Navigation. – Die haben sogar Hintergrundbeleuchtung

Mit der Ankündigung zukünftig keine Papierseekarten mehr herzustellen ist in den USA der Segelsport im Jahre 2014 angekommen. – Dazu kann man gratulieren. Als Traditionalist in der Navigation war das für mich ein bitterer Schlag. Er wurde aber höchste Zeit und ist hoffentlich ein Signal auch an andere Länder: „Stellt Eure Daten zum Download ins Netz und hört auf sie für viel zu teures Geld zu verkaufen“.

Um keinen falschen Eindruck zu erwecken: Ich mag Seekarten aus Papier. Auf ihnen navigieren gelernt zu haben, hilft mir auch im Umgang mit dem Kartenplotter oft weiter. Außerdem ist ein Übersegler auf dem Tisch zum Planen von Reisen meist handlicher als ein Plotter. Auf Paulinchen gibt es dafür einen verwaschenen, knitterigen Übersegler der Karibik. Die einzigen weiteren Papierkarten sind handgemalte Skizzen von Riffpassagen.

Ein halbes Jahr fast ohne Papierkarte
Ein halbes Jahr fast ohne Papierkarte

Von Florida bis Panama habe ich ausschließlich mit dem iPhone navigiert. Mein Fazit nach einem halben Jahr: Papierseekarten braucht keiner mehr.

Das liegt vor allem daran, dass eh niemand mehr darauf schaut, wenn erst einmal ein Kartenplotter im Cockpit ist. Bei der deutlichen Mehrzahl der Schiffe, die mir in den letzten Jahren begegnet sind, war das der Fall.

Man muss sich allerdings auch eine gewisse Skepsis bewahren: Digitale Seekarten haben tatsächlich häufig gravierende Fehler. In den Papierversionen sind die meist ebenfalls enthalten, fallen nur seltener ins Auge, weil man eben nicht ständig einen Marker mit der eigenen Position verfolgt.

Gerade was Aktualität angeht, sind digitale Karten dem Papier außerdem längst überlegen. In der Navionics App beispielsweise finden sich ständig kleine Markierungen von Informationen, die andere Crews zugefügt haben.

Einzig vor einem ernsthaften Stromausfall hatte ich vor den letzten 1.500 Meilen etwas Sorge. Aber dann fiel mir auf, dass man für den Preis eines Kartensatzes Ostsee auch ohne weiteres eine Handvoll Solar-Ladegeräte und ein oder zwei weitere billige Smartphones als Reserve bekommt.

Bei Amerikas Gegenstück zum BSH, der NOAA, gibt es schon seit geraumer Zeit alle Seekarten als PDF und in verschiedenen Formaten für Kartenplotter zum Download, den Druck einzustellen war nur ein konsequenter Schritt. Das Modell ist nur fair, wenn man sich überlegt, dass Hydrografische Institute bereits aus Steuergeldern finanziert werden und Segler somit doppelt für ihre Karten bezahlen. Mit einem einfachen Download zu Saisonbeginn ist aber vor allem auch die Aktualität dieser Karten an Bord sichergestellt und spätestens das ist im Interesse aller, die auf dem Wasser unterwegs sind.

Es wird daher höchste Zeit, dass sich diese Art bürgerorientiertes Denken auch in Europa verbreitet. Papierkarten jedenfalls haben ausgedient.


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