Jonathan und Claudia in Marokko

Budget auf Langfahrt

Für die April-Ausgabe von segeln (ab 12.3.14 am Kiosk) habe ich einen Artikel über das Budget auf Langfahrt geschrieben. Bei der Recherche dazu haben mir Johnatan Buttmann und Claudia Clawien sehr geholfen. Ihr Resümee nach den ersten Monaten auf See hätte den Heft-Artikel sicher gesprengt. Die Beiden haben mir darum erlaubt, den kompletten Text hier im Web zu veröffentlichen:

Um ein bisschen einschätzen zu können, was ihr genau unternehmt und wie weit seid ihr seit Eurem Start inzwischen gekommen seid, wäre es prima, wenn ihr Eure Reise kurz vorstellt:

Claudia Clawien und Jonathan Buttmann
Die Crew der Inti: Claudia Clawien und Jonathan Buttmann

Wir haben unsere Feltz Skorpion im Oktober 2012 in Holland gekauft und den Winter, bzw. die Zeit bis zu unserer Abfahrt, damit verbracht, sie flott zu machen. Unser Boot hat über 35 Jahre auf dem Buckel, ist ein Stahlschiff und braucht viel Aufmerksamkeit und Liebe. Insbesondere, was die Roststellen angeht.

Beim Ablegen waren dann zwar noch einige Baustellen offen, aber um nicht in Deutschland hängenzubleiben haben wir den Juli 2013 gewählt, um in Berlin loszufahren. Zunächst ging es über die Ostsee, durch den Nord-Ostsee-Kanal nach Bremen, wo wir noch weitere Reparaturen erledigt haben. Ende August folgten Holland, Frankreich und England, sowie die Biskaya Überquerung nach Spanien. Dort ging es entlang der Atlantikküste weiter über Portugal und die Algarve bis nach Rabat in Marokko.

Hier setzten wir unsere Rucksäcke auf und bereisten das Land zwei Wochen lang. Insgesamt waren wir vier Wochen in Marokko und sind dann in vier Tagen und Nächten nach La Graciosa gesegelt, auf die kleine Kanareninsel gegenüber von Lanzarote. Gerade befinden wir uns auf Teneriffa, wo wir noch etliche Ersatzteile für unser Boot besorgen und proviantieren.

Wir werden noch nach Gomera und El Hierro fahren, dann auf die Kapverdischen Inseln und von dort Richtung Brasilien. Geplant ist dann durch die Karibik an Kolumbien vorbei Richtung Panamakanal zu segeln und weiter Richtung Polynesien und Asien zu reisen.

Häufig liest man Sätze wie: „Man braucht immer einen Tick mehr Geld, als man hat“. Aber konkrete Zahlen sind rar. Das liegt natürlich auch daran, dass sie immer sehr individuell sind. Ich würde mich sehr freuen, wenn ihr mir eine grobe Hausnummer nennen könntet, was Euch zum Leben im Monat „reicht“. – Von Zahnbürsten bis Motoröl, für alle an Bord zusammen.

Wir haben mit einem Budget von 15.000 Euro im Jahr gerechnet. Das ist ein Erfahrungswert von verschiedenen Seglern mit denen wir gesprochen haben und die ein ähnlich altes Boot und einen ähnlichen Anspruch an Luxus und Komfort haben.

Teilt man diesen Betrag durch 12, liegen wir im Augenblick deutlich darüber! Das wurde uns aber auch genauso von den anderen vorhergesagt. In Europa sind die Lebenshaltungskosten höher und die Marinapreise sind, vor allen in Spanien, stellenweise absurd hoch gewesen. Überhaupt liegt man aufgrund fehlender Ankermöglichkeiten dort öfter in Marinas. Das soll sich aber nach den Kapverden ändern. Marokko war bereits sehr günstig.

 

Inti vor Anker. Nächte nicht in Häfen zu verbringen, spart enorm Geld beim Langfahrtörn
Inti vor Anker. Nächte nicht in Häfen zu verbringen, spart enorm Geld beim Langfahrtörn

Der eine lebt von Luft, Liebe und Trockenfisch, anderen ist kein Weg mit dem Taxi von der Marina zu weit, um noch schnell in eine Bar zu kommen. Wie würdet ihr euren Lebensstil dazwischen einordnen?

Irgendwo in der Mitte. Wir brauchen keine Luxusmarinas und wenn wir Essen oder Feiern gehen, tun wir das am liebsten dort, wo die Einheimischen das machen. Das ist meist günstig.

Klar fahren wir auch mal gerne ins Land und gucken uns was an. Aber auch da reisen wir mit öffentlichen Verkehrsmitteln und steigen eher in einfachen Gasthäusern ab. Das haben wir auch vor dem Segeln schon auf verschiedenen Rucksackreisen durch Asien und Lateinamerika so gemacht. Es ist nicht nur günstiger, sondern unserer Meinung nach auch die beste Art, Land und Leute kennenzulernen. Generell haben wir einen recht niedrigen Lebensstandard, da wir das Großstadtleben hinter uns lassen wollten um einfacher zu leben.

In jedem neuen Land gehen wir allerdings erstmal ausgiebig essen, das ist ein Ritual geworden. Aber wir nutzen meist die öffentlichen Verkehrsmittel, die bis jetzt zuverlässig und günstig waren. In Bars oder Clubs sind wir eher selten.

Für größere Einkäufe mussten wir natürlich immer einen gut ausgestatteten Supermarkt suchen. Das ist in Europa nicht schwer.

Am Essen sparen wir nicht. Gutes Essen ist uns wichtig! Wir kochen allerdings meist auf unserem Boot. Das ist unser Zuhause und da schmeckt es bekanntlich auch am besten.

In einem Buch habe ich mal gelesen, dass man den Lebensmittelbedarf von Land mit an Bord nehmen sollte und daraus auch sein Reisebudget ermitteln könnte. Die Rechnung sah in etwa so aus: Zu gleichen Dritteln Lebensmittel, Boot und „Spaßkasse“. Das war ein Einhandsegler in der Karibik. Wie habt ihr Euer Budget vor der Abfahrt bestimmt?

Das Geld für unser Boot haben wir uns geliehen. Unser Budget ermittelt sich hauptsächlich aus Reparaturen, Lebensmitteln und Marinakosten. Ab und zu haben wir uns auch Prepaidkarten für das Handy, Landausflüge, Restaurantbesuche oder ein paar Bier in einer Bar gegönnt, aber eine wirkliche Spaßkasse haben wir nicht. Wie gesagt haben wir unser Budget aus Erfahrungswerten anderer Segler abgeleitet.

Die Lebensmittelkosten entsprechen ungefähr noch denen von Zuhause, das ist richtig, liegt aber vermutlich auch noch daran, dass wir uns noch in Europa befanden. In Marokko war es dann schon deutlich günstiger.

Die Kosten für das Boot liegen bei uns allerdings darüber, da wir nicht mit einem neuen oder frisch sanierten Boot gestartet sind müssen wir momentan noch Einiges anpassen und erneuern.

Wie macht past das geplante Budget in die Realität?

Sie entsprechen ungefähr den Erwartungen, siehe oben. Die Reparaturkosten sind allerdings höher als erwartet. Wir haben z.B. die Genua und den elektrischen Autopiloten ersetzen müssen, das haut eine ganz schöne Kerbe ins Budget. Auch ein Netz im Propeller mit zerstörter Flansch hat reingehauen. Wir hoffen, dass sich das in Zukunft in Grenzen hält.

Wenn man die in Nordeuropa üblichen Hafennächten erst einmal überwunden hat und sich am Anker mit Dingi am Strand eingerichtet hat, entlastet das die Bordkasse enorm. Ich habe das viel zu spät in den USA gelernt und mir mit Preisen um 50$ pro Nacht große Kratzer in der Bordkasse eingehandelt. Habt ihr so etwas wie notwendiges Übel, dass ihr aus Kostengründen eingeht, um Geld zu sparen?

Ankern ist auf jeden Fall ein wichtiger Punkt um Kosten zu sparen, für uns aber nicht unbedingt ein Übel, da wir gerne vor Anker liegen. Wir haben versucht, schon vorher die Marinapreise zu checken und schon in Deutschland, England und Spanien oft geankert. Manchmal war es auch günstiger sein Boot liegen zu lassen und über Land die Umgebung zu erkunden.

Rabat in Marokko war nicht nur unglaublich günstig, es gab auch noch einen Discount für TO-Mitglieder von 20%. Ein wichtiger Punkt zum Sparen ist auch, langsam zu reisen. Wir hatten es bis Spanien relativ eilig, da wir bis Ende September über die Biskaya wollten. Das hieß dann oft Motoren wenn der Wind schlief oder aus der falschen Richtung blies, wir aber einfach weiter wollten. Oder wir mussten in die erstbeste Marina gehen, wenn das Wetter zu ungemütlich wurde. Wir haben im ersten Monat ordentlich Diesel verpulvert und oft saftige Marinapreise bezahlt. Jetzt bleiben wir lieber an einem günstigen Ort bis der Wind stimmt und segeln dann erst weiter. Das spart enorm.

Ein weiter Kostenfaktor geht einher mit der allgemeinen Risikobereitschaft. Wir haben z.B. unsere Altersvorsorge eingestellt und all unsere Rücklagen in die Reise gesteckt. Auch überlegen wir ernsthaft, ob wir das Boot in der Karibik noch weiter kaskoversichern, was ca. viermal so teuer ist wie in Europa.

Wer sich und sein Boot komplett gegen alle Eventualitäten absichern möchte, wird deutlich höhere Grundkosten haben. Ein weiterer Kostenpunkt sind Fremdarbeiten. An einem Boot ist ständig etwas zu reparieren, das haben wir selbst bei den neusten Booten gesehen. Wer dazu keine Lust oder zwei linke Hände hat wird ordentlich draufzahlen. Es lohnt sich stellenweise auch, Arbeiten, die man selbst nicht ausführen kann in Ländern mit niedrigerem Lohnniveau machen zu lassen. Vorausgesetzt man kennt eine gute Adresse. Wir haben in Portugal z.B. deutlich weniger fürs Kranen und für Arbeitsstunden bezahlt als in Deutschland üblich.

Habt ihr unterwegs laufende Einnahmen die wesentlich zum Gelingend der Reise beitragen?

Momentan leben wir vom Ersparten. Das muss sich aber noch ändern, sonst kommen wir nicht um den Globus. Wie das genau funktionieren soll ist aber noch offen.

Claudia arbeitet z.B. an einem Zertifikat um „Deutsch als Fremdsprache“ an irgendeinem Goetheinstitut in der Welt zu unterrichten. Jonathan ist technisch ganz begabt und hofft, auf anderen Yachten Reparaturen machen zu können. Wir wären uns auch nicht zu schade, irgendwo zu kellnern oder als Erntehelfer zu arbeiten.

Unser Blog „Radiopelicano“ ist eigentlich nicht kommerziell, aber evtl. lässt sich daraus ja mal ein Buch oder der eine oder andere Artikel für eine Zeitschrift ableiten. Wir sind sehr zuversichtlich, dass sich auf der Reise noch Möglichkeiten bieten, Geld zu verdienen. Unsere Rucksackreisen zuvor haben uns gezeigt, dass die Ideen und Chancen zunehmen, sobald man die gewohnte Umgebung und seinen Arbeitsalltag verlassen hat.

Lebenshaltungskosten variieren nicht nur mit den Regionen, sondern auch mit den Ansprüchen. Wurdet ihr seit dem Ablegen eher bescheidener oder wächst vielleicht sogar der Heißhunger nach Bars und Ausflügen an Land?

Wir wollten bescheidener werden und hatten uns auch schon in Berlin reduziert, um für die Reise zu sparen. Das hat kein bisschen wehgetan, da wir uns ja jetzt einen großen Traum erfüllen, der an sich ja schon Luxus pur ist. Zeit zu haben ist uns weit mehr wert als Geld zu haben.

Habt ihr noch einen besonderen Tip, wie man zu seinem Budget auf Weltreise kommt und das Geld am Besten im Griff behält?

Nicht zu sehr an das Budget denken, unbedingt losfahren und dabei möglichst flexibel sein. Wir haben schon Boote mit den unterschiedlichsten Budgets getroffen die damit weit gekommen sind. Unterwegs trifft man viele Crews mit den verschiedensten Finanzierungskonzepten. Dort kann man so Einiges für sich lernen. Das wichtigste ist es, den Absprung zu schaffen!

Aktuelles aus dem Törn von Claudia und Jonathan ist zu finden auf www.radiopelicano.de. Wer den Beiden bequem folgen möchte, kann auch ihre Facebookseite abonnieren: www.facebook.com/radiopelicano


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