Aus Übersee nach Übersee – Teil I

Eine Weile hing nun die Amerikanische Flagge unter der Saling. – Genaugenommen hing sie dort aber auch schon eine weile nicht mehr. Denn der Fetzen, der nach den heftigen gewittern in Flogida noch übrig war, taugte nicht einmal mehr zum Ausreisen aus dem Land. Eine Neue kaufen? Nur für drei Meilen von der Mooringboje bis zur Staatsgrenze? – Nein.

Kein würdiger Abgang. Da ist es besser, ganz ohne Gastlandflagge auszulaufen
Kein würdiger Abgang. Da ist es besser, ganz ohne Gastlandflagge auszulaufen

Es geht undekoriert bei Stillwasser zurück in den Cruisingalltag. Herum um Bowditch Point Park in den Golf von Mexiko. Vor einem Sommer kam ich auf diesem Weg hinter die Insel in den Hafen von Fort Myers Beach. Monate hat Paulinchen im Mooringfeld an Boje #2 geduldig ihren Blickwinkel mit jeder Tide den doch immer die gleichen Perspektiven zugedreht. Die letzten Tage schien sie dabei unruhiger, zog und zuckelte in jeder Böe, als wollte sie sagen: Du hast gesagt, am Ende der Hurrikan Saison geht es weiter.

Jetzt ging es weiter. Aus dem Sommerschlaf erwachte sie, als Kinga damit anfing, unter Deck zu lackieren. Das bald neue Ufer vor ihr aus dem Meer kommen, wurde klar, als ich an zwei langen Nachmittagen mit Tacherflossen, Schnorchel, Maske, Spachtel und Drahtbürste die dicke Schicht Austern, Seepocken und Schnecken von ihrem Rumpf abkratzte.

Ob Segelschiffe auf großer Fahrt oder Gartenlaube zur See sind, verrät dieser Bewuchses. – Paulinchens Rumpf war zur Heimat vieler Lebewesen geworden. Eine handtellergroße Krabbe balancierte auf dem Propellerschaft und wedelte wütend mit ihren Schären, während ich mit einem Spachtel dem Basketball aus Bewuchs am Propeller zu Leibe rückte.

Zurück aus dem Delirium eines gestrandeten Seglers stört der Anblick eines zur Immobilie gewordenen Bootes. Zeit, das Deck aufzuräumen, Schattenspendende Persenninge zu entfernen und Segel anzuschlagen.

Kaum draußen auf See verabschieden wir uns mit einer Dose Bud-light und einer Tüte Chips vom Leben in Fort Myers, von Florida, von den USA.

Nordostwind um fünfzehn Knoten beschert eine schnelle aber schaukelige Passage Richtung Südwesten. Unter Paulinchen rollt konfuse See mit Wellen aus allen möglichen Richtungen. Ich erinnere mich an Whister. Der hatte mir vor über einem halben Jahr noch in Mobile gesagt: „Man fährt bei mehr als einem Meter Welle nicht auf den Golf hinaus.“ Seinen Rat schreibe ich in den Wind.

Luftbild - Segeln

Ungeduld gehört bestraft, Aber Ungeduld ist manchmal lebenswichtig. Seit Tagen ist die Stimmung an Bord nicht einfach, breitet sich das Gefühl aus, dass wir nie aus den UA Wegkommen. Wenn wir jetzt bei Nordostwind, bei Rückenwind, nicht loskommen, dann wohl nie und müssen für immer hier bleiben.

Die Vorhersage sagt sechs bis acht Fuß, zwei bis drei Meter. Die halbe Strecke von hinten, die andere Hälfte direkt von Backbord.

Zwischen fünf und sechs Knoten Fahrt schiebt uns die Backstagbriese nach Südwesten. Häuser werden hinter uns kleiner und verschwinden im Blau. – Zurück ist als Option aus dem Reiseplan gestrichen, seit wir los sind.

Der erste Wegpunkt liegt knapp außerhalb der US Hoheitsgewässer. Keine Tonne markiert ihn, er ist nur eine Koordinate im Wasser vor Dry Tortuga. Dort werden wir den Kurs auf Südosten ändern, direkt nach Havanna. Bis dahin sind es noch 132 Seemeilen. Laut GPS sind wir in 26 Stunden dort und in zwei Tagen vor Kuba.


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