West-Indies

Hafenbecken in Nassau
Strand am Hafenbecken in Nassau

Im Morgengrauen des 13. November liegen die ersten Karibikinseln bereits hinter mir. Ursprünglich hatte ich vor, den Törn etwas zu verkürzen und in Marsh Harbour auf der Insel Great Abaco in den Bahamas einzuklarieren. Keine gute Idee, wie später der Blick auf die Karte offenbarte: Offene Riffpassagen in Richtung Nordosten, bei rund fünf Metern See im Rücken. Auch der Revierführer warnt davor, bei starkem auflandigem Wind oder Dünung eine der Durchfahrten zu versuchen.
Das Ziel der Reise bleibt also die Insel „New Providence“. Selbst hier ergießt sich der Atlantik bereits aus zwei Meilen Entfernung sichtbar in gigantischen Wellen an der Küste. Berge von Gischt schießen in die Höhe, verdecken immer wieder die Stadt. Doch „Nassau Harbour Control“ beruhigt: „Die Wellen brechen nicht im Kanal.“ Sie sollen bereits hoch und steil sein, aber erst deutlich außerhalb der Betonnung gefärlich werden. „Comming in is not a problem.“
Immer wieder hebt mich die schnell steiler werdende See auf Höhe der Hafenmole hinauf und gewährt Einblick ins verlockende, stille Becken dahinter. Im Kanal geht es tatsächlich nur auf und ab.
Hinter mir nimmt ein Kreuzfahrtschiff Kurs auf die Einfahrt. Ich hatte zuvor per Funk nachgefragt, ob ich warten soll. Die knappe Antwort war „Keep your speed and proceed in.“ Jetzt dröhnen zum zweiten Mal fünf tiefe, satte Töne aus seinem Horn. – In der Führerscheinprüfung lernt man dazu: „Aufforderung der Ausweichpflicht nachzukommen“. In diesem Fall klingt es eher nach „Weg, ganz schnell weg da!“. Offenbar hatte man auf der Brücke die Bedingungen im Kanal anders eingeschätzt. Die Heftigkeit, mit der der Koloss auf und ab stampft, ist beeindruckend. In einer Hand halte ich die Pinne, in der anderen das Handfunkgerät. Die Absprache ist schnell und unkompliziert: Umdrehen kann ich in dieser See nur nach Luv, und damit direkt vor seinen Bug. Ich bleibe daher am leewärtigen Tonnenstrich, gerade soweit, dass ich nicht ins Flach versetzt werde, und versuche langsamer zu werden. Auf dem Dampfer gibt man Gas und zieht innen an mir vorbei. Keine 50 Meter neben mir ergießen sich die Wasserfälle durch seine Speigatten. Im Hafenbecken kommen bereits ein Polizeiboot und ein Rettungsboot Richtung Einfahrt. Wie so oft, sah das Manöver vermutlich an Land noch knapper als die Wirklichkeit aus. Vielleicht vernebelte aber auch nur das Adrenalin den Blick für die Realität.

Strand in Nassau
Strand in Nassau

Drinnen empfängt mich die Karibik. Türkisblaues Wasser, ohne Wind schießt mir sofort der Schweiß auf die Stirn. Angekommen. Nassau, Bahamas!
Im Yacht Haven bekomme ich einen Platz, und schon bevor ich im Marinabüro erscheine, ist der Zoll über meine Ankunft verständigt. Mit einem Haufen Formulare, die ich bis zur Ankunft der Beamten ausfüllen soll, gehe ich zurück an Bord. Crewlisten sind, auch in vierfacher Ausfertigung, für Einhandsegler zum Glück schnell erledigt. Ich bestätige, keine Drogen, Waffen und auch nicht zu viel Alkohol an Bord zu haben. Als „Bordarzt“ unterschreibe ich, dass es unterwegs weder Todesfälle, noch außergewöhnliche Sterblichkeit bei Ratten und Mäusen an Bord gab.
Anders, als in der Literatur über die Bahamas zu lesen ist, interessieren sich die Beamten nicht für das Boot. Wir erledigen die Formalitäten in den klimatisierten Räumen des Marina-Office. Dort gibt es gegen 150 Dollar ein 90-Tages Visum, eine Angelerlaubnis und das Cruising Permit. – Welcome to The Bahamas. Vier Stunden vor Kingas Flieger bin ich angekommen und bestelle mir schon mal ein Taxi zum Flughafen.

Karibik Straßen
Karibik Straßen

Hinter der von großen Yachten besetzten Marina erfüllt Nassau alle Karibikklischees. Erscheint zugleich leicht schnodderig und wühlig, aber auch bunt, warm und voll Lebensenergie. Vor allem aber unter Palmen gelegen, von weißen Stränden gesäumt und in türkisfarbenes Wasser gebettet. Ein Kontrast zu den USA, der nach fünf Tagen auf See etwas Eingewöhnungszeit braucht.
Kinga hatte in der Erwartung, dass ich eventuell erst einen Tag später ankomme, aus Hamburg bereits ein Hotelzimmer gebucht. Kurzerhand beschließen wir das Zimmer zu behalten, das salzverkrustete und noch unaufgeräumte Boot einfach Boot sein zu lassen. Der Portier lächelt, schaut kurz in seine Reservierungen und bucht für 20 Dollar ihr Einzelzimmer überm Parkplatz in ein Cottage am Strand um. – Urlaub.


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