New York

Einklarierungshafen Plymouth, MA. Mooringbojen im Hafen rund um den Landeplatz der Mayflower
In Plymouth bekommen wir das Cruising Permit ausgestellt

New York rückte schnell näher. Mit straffen Segeln ging es gegen den kräftigen Südwest an. Bummeltage in denen nicht viel passiert. Trotzdem sind wir zu langsam. Damit Kinga ihren Flug nicht verpasst nimmt sie von Providence aus den Zug. Wieder Single-Hand-Sailor bummle ich einige Tage im Edgewood Yacht Club und segle dann nach East Greenwich. Im Nachhinein eine Gute Entscheidung. USA-Light, Gelegenheit, sich mit den Gepflogenheiten vertraut zu machen und sich auf die Große Stadt einzustellen.

Paulinchen an einer Mooring vor dem Edgewood Yacht Club in Providence, 20 Meilen nördlich von Newport
Mooringplatz im Edgewood Yacht Club

Drei Tage lang segle ich dann an block Island und Connecticut entlang in den Long Island Sound zum Eingang des East River. Kurz vor Sonnenuntergang kommt die Skyline von Manhattan in Sicht und der Anker fällt in einer kleinen Bucht. Sie bildet die Demarkationslinie zwischen dem beschaulichem Leben der Vorstädte und der Großstadt. Schöne Villen an einem Hügel an Steuerbord, dreißigstöckige Hochhäuser hinter einem sechsspurigen Highway an Backbord. Egal, Nudeln mit Käsesoße, eine Cola mit den letzten Eiswürfeln zum Abendessen. Geschafft – New York.

Einfahrt in die größte Stadt der USA durch den Eastriver zwischen Manhatten und Long Island hindurch zum Hudson
Kein Schleichweg – im East river setzt der Strom teilweise mit 4,5 Knoten

Am Morgen geht es zwei Stunden vor Niedrigwasser in den East River. Die Idee: Mit dem Rest ablaufendem Wasser bis in den Hudson, bei Stillwasser um die Freiheitsstatue und mit der Flut den Hudson hinauf zum Liegeplatz.
Die größte Stadt der USA scheint in diesem Teil vorwiegend aus Gefängnissen und Kraftwerken zu bestehen. Nur die Skyline des nördlichen Manhattan bleibt im morgendlichen Dunst ständig als Ziel vor Augen. Wenige hundert Meter vor der Landebahn passiere ich den Flughafen La Guardia unter dicken Verkehrsfliegern, bevor Hell Gate auf mich lauert.
Paulinchen ruckt und stellt sich zickig an. In der Engstelle klettert das GPS auf über sieben Knoten, Strudel und Querströmungen zerren das Boot in alle Richtungen zugleich. Ich rühre an der Pinne wie im Hefeteig bis nach einigen Kurven wieder Ruhe im Boot einkehrt.
Das Stadtbild hat sich inzwischen gewandelt. Hochhäuser, Brücken, Autos. Zwischen den Häuserblocks kann man auf die andere Seite hinüber schauen – quer durch Manhattan mit einem Blick. Die Schluchten ziehen an, verlocken, sich einfach in die Stadt zu stürzen.
Mit der Williamsburgh Bridge kommt auch die Freiheitsstatue in Sicht. Grün, mächtig und würdevoll steht sie wie eine Lady und hält ihre Fackel in die Höhe, umgeben von Ausflugsbooten und bevölkert von hunderten Touristen. Ich fahre darauf zu, drehe einige Kreise und mache Fotos.

Skyline von New York Manhatten, Hoboken (li.) und Staten Island (re.)
Weite Reise gegen den Ebbstrom in Hudson River

Es hat rund vier Monate gedauert, 52 Tage davon war ich auf See und habe den Atlantik auf der denkbar ungünstigsten Route passiert. Das GPS zeigt 4770 Seemeilen seit Cuxhaven. Gemittelt sind das über eintausend Meilen pro Monat. Zahlen, die einen lächerlichen Versuch darstellen, das Geschaffte zu beschreiben. Sie erzählen nichts über das Erlebte, nichts über das Gefühl eine Etappe abzuschließen. Drücken nicht aus, wie des Nachts die Lichter von Long Island an mir vorbeizogen, wie zum ersten Mal die Sonne über Amerikanischem Festland aufging. Es gibt keine Ziffern für freundliche Menschen, die mir nachts eine Mooringboje anbieten oder mal eben ein Auto ausleihen, damit ich einkaufen kann.

Golfanlage mit Drivingrange und Yachtanleger in Manhattan
Golfplatz und Yachtclub in Manhatten

Die Passage durch den East River und das Bildermachen gehen schneller als gedacht. Im Hudson trennt mich unvermindert der Ebbstrom vom 79th Street Boat Basin. Viel Zeit, sich ein Bild von der langsam vorbeiziehenden Großstadt zu machen.
Manahttan leidet an derselben Schwindsucht, die fast alle großen Hafenstädte heute heimsucht. Verfallene Piers im Zentrum und blühende Containerterminals weit außerhalb der Stadt. Der Glanz der Hafenstadt mit geschäftigen Docks, schmutzigen Kais, Kränen und Hafenarbeitern geht verloren. Was bleibt sind Rost, Unkraut und verfallende Anlagen zwischen pulsierendem Leben und Fluß. Die New Yorker gehen den üblichen Weg, damit umzugehen. Sie versuchen mit modernen, zum Leben zu steril wirkenden, Betonanlagen Räume für Erholung zu schaffen. Wie überall scheint das Konzept nur bedingt zu funktionieren. Wenn Stararchitekten gehen, bleiben große leere Plätze, die vor allem Skater anlocken, die ihre Kunststücke üben. Auch Touristen verirren sich hier her, weil ihre Reiseführer den Ort als besonders maritim beschreiben. Nur die Bevölkerung der Städte kann meist wenig mit den wurzellosen neuen Stadtteilen anfangen.

Straßenzug, 5th Avenue in New York City, Upper East
Mehr Bilder aus New York und vond er Tour gibt es auch im Fotoalbum: fotos.hinnerk-weiler.de

Gegen den Strom komme ich nur langsam voran. Zwei oder drei Knoten sind das Maximum – selbst dicht am Ufer ist der Ebbstrom enorm. Es dauert zwei Stunden, bis das Mooringfeld in Sicht kommt. 79th-Street-Boat-Basin antwortet nach einigen Anrufen auf Kanal 9. Ich soll eine beliebige freie gelbe Mooring nehmen und mich dann später im Marinaoffice melden. Die einzige freie Boje ist fast eine halbe Meile stromauf. Mit eingekuppelter Maschine stoppe ich daneben auf. Gegen den Strom die Mooring-Leinen aus dem Wasser zu angeln ist dank Autopilot überraschend einfach. Ganz glücklich bin ich mit dem Platz trotzdem nicht. Gute zweieinhalb Knoten Strom zerren am Boot und das leere Dingi fängt hinter Paulinchen zu surfen an. Dem Torqueedo Außenborder stehen jedenfalls arbeitsreiche Tage und eine schwere Prüfung bevor.
Er meistert sie mit Bravour. Nach einigen Tagen ist das Vertrauen vollkommen: Schnell stellt sich heraus, dass der Akku drei oder vier Transfers ins spärlich geschützte Dingi Dock auch bei hohen Drehzahlen locker schafft. Kann man der Versuchung widerstehen, stromab zu rasen, steigt die Reichweite sogar gewaltig an. Stromab lasse ich den Propeller gerade so weit drehen, dass das Schlauchboot auf Kurs bleibt. Einen viertel Knoten Fahrt durchs Wasser, zweieinhalb bis drei über Grund. Dazu simple Stromtaktik, wenn es gegenan geht: Die Boje liegt auf etwa 15 Metern Wassertiefe und gut hundert Meter weit im Fluss. Direkt am Ufer ist der Strom deutlich geringer.
Hinter der Hafenmauer weht an hohem Mast ein TO-Stander. Die „Heimkehr“ aus Hamburg. Ich will mich nach dem Duschen und Einchecken kurz vorstellen, aber niemand ist an Bord. Also zurück zu den lebenswichtigen Dingen, die ein Segler braucht: Wasser und Internet. Letzteres müsste noch ausreichend an Bord sein, Ersteres finde ich in nur fünf Minuten Fußmarsch, an der Ecke Broadway und 81. Straße in einem Café. Klimaanlage, Iced Vanilla Latte, WLAN. Es dauert nur Minuten, dann treffen die ersten Glückwünsche aus Deutschland per Mail ein. Einen Tag ausruhen, dann geht es in die Stadt.

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