Landgang

Freundlich lächeln und dann einfach zwischen die Boote am Steg schieben. So legt man in Finnland an. Und tatsächlich genügt meist eine Lücke von 50 Zentimetern für ein 31 Fuß Boot. Doch in der Marina von Mariehamn gibt es selbst für die schlanke Paulinchen keinen Platz mehr. Es ist voll hier. Richtig voll. Also motore ich in strömendem Regen morgens um acht zum Bojenfeld gegenüber und beschließe es später am Tag noch einmal zu probieren.
Die „Bojarna i viken er privata“ weiß der Hafenführer, doch ich denke nicht, das bei strömendem Regen und immer noch guten sechs Beaufort ein Besitzer nach hause kommt und mich verjagt. Kurz danach liegt das Ölzeug patschnass auf dem Salonboden, ich daneben auf der Koje. Tiefschlaf bis weit nach Mittag.
Tatsächlich finde ich beim zweiten Versuch ein freies Plätzchen. Habe sogar die Wahl. An der ersten Brücke von Süden zwischen den 40 Fuß Yachten – mit 20 Metern Heckleine zur Boje oder an der zweiten Brücke ganz außen mit wenig Heckleine und als dritter an der Boje. Beides ist nicht optimal. Wir sind mitten im Tief. Von 1002 auf 988 Hektopascal ist das Barometer in der letzten Nacht gesunken. Jetzt ist es windstill, aber das wird nicht so bleiben. Wenn er wieder kommt, dann von Süden. Also zweite Brücke; immer noch besser als eine weitere Nacht Etappenschlaf. Bojenhaken einhängen und mit der Nase an den Steg. 25 Euro kostet die Nacht im Hafen. Dafür ist selbst die Sauna mit enthalten. Dringender könnte ich langsam eine Waschmaschine brauchen – Die kostet extra: Sechs Euro pro Ladung. Dafür ist der Trockner inklusive. Heiße Luft scheint in Finnland immer im Preis inbegriffen zu sein.
Landgang in strömendem Regen. Mariehamn wirkt etwas verlassen. Die breiten Straßen erinnern an Amerikanische Vorstädte. Nur der rote Asphalt, auf dem sich der Regen seinen Weg in die Kanalisation sucht passt nicht so recht ins Bild. Auf den Aalands, erfahre ich in einer Broschüre aus der Touristeninformation, sind alle Straßen rot. Mal leicht dunkelrot, mal knallrot, aber immer rot. Selbst die Kieswege und Schotterstraßen. Die Farbe kommt vom Granit der Inseln und soll im Sonnenlicht den Inseln einen ganz besonderen Charme geben. Die großzügigen Holz-Villen passen sich dem Farbenspiel an. Dunkles Schweden-Rot, Gelb und Himmelbau sind die vorherrschenden Töne. Kein Wunder, wenn es ein halbes Jahr lang nicht hell wird, nutzt man jede Gelegenheit, um etwas Farbenfrohes zu schaffen. Ich stelle mir vor, wie es hier im Winter sein muss. Heller als heute wird es dann kaum werden. Ich brauche schon jetzt etwas für die Seele. Die billigste Tafel Schokolade kostet 1,89 Euro. Das billigste Eis am Stiel 1,69 Euro. Mit dem Eis in der Hand schlendere ich bei 14 Grad durch die Stadt, in der gerade die Geschäfte schließen. Hier und da huscht jemand aus der Deckung eines schützenden Hauseinganges in den Schutz des nächsten. „In finnish summerrain you don’t get wet“, hat mir im letzten schwedischen Hafen jemand versprochen. An Bord hängt das Ölzeug unter der Kuchenbude, von unten ballert die Heizung warme Luft aus dem Niedergang, damit es trocknet.
Trotzdem, ich bin froh hier zu sein. Es sind bloß 512 Seemeilen Luftlinie von Hamburg; fast 1000 Seemeilen bin ich dafür durchs Wasser gefahren. Allein 800 Meilen an der Kreuz gegen 5-8 Windstärken Schwedens Ostküste entlang. Am liebsten würde ich weiter nach Norden fahren, mehr Felsen, mehr Einsamkeit mehr Natur. Doch dafür ist es schon zu spät in der Saison. 60° Nord habe ich erreicht, es wird Zeit in den Süden zu steuern. Zuerst nach Helsinki.


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