Belize Straßenbrücke

Highway durch den Regenwald

Statt Dschungel, erinnere ich mich, sagt man oft auch „Regenwald“. Im Hinterland von Belize bekommt dieser Begriff für mich eine handfeste Bedeutung: Seit Stunden fahren wir von einem Regenschauer in den nächsten. Immer wieder verschwinden die Berge um uns in tiefhängenden Wolken und zwischen den Schauern dampft grauer Nebel aus den Palmen, Büschen und Farnen. Entlang der Küste geht es erst nach Norden, dann über den Hummingbird Highway in die Berge quer durchs Land zur bemerkenswerten Hauptstadt von Belize: Belmopan.

Bananengürtel in Belize
Im Flachland zwischen Küste und Bergen liegt der Bananengürtel.

Wer hier als Tourist ankommt, erklärt unser Lonely Planet, findet sich mit der aller grundlegendsten Frage des Reisens konfrontiert: „Was zum Geier mache ich hier?“, und dankenswerterweise bietet Belmopan darauf auch eine einzige Antwort: „Schnellstens in den nächsten Bus umsteigen und weiterfahren.“ Die Stadt, lesen wir, lässt sich einfach zu Fuß erkunden, einen Grund dafür gibt es allerdings nur, wenn man auf besagten nächsten Bus eine Weile warten muss.

Entlang des Himmingbird Highway
Entlang des Himmingbird Highway

Nichts hier erinnert an eine Hauptstadt. Es gibt keine imposante Architektur, kein kulturelles Leben ist zu erkennen. Lediglich einige zweckmäßige Verwaltungsbauten, die Ministerien und Botschaften beherbergen gesellen sich zu einer Handvoll Restaurants und Bars, für die minimalen Bedürfnisse der Regierungsbeamten. Die restliche „Capital of Belize“ ist ein Dorf, das seinen Titel nicht verdient und, so scheint es, auch gar nicht haben will.

Es verdankt seine Rolle dem Umstand, dass Hurrikan Hattie in 1961 Belize City verwüstet hat und die damalige Regierung kurzerhand in die Mitte des Landes verlegt wurde. Weit weg von Stürmen und tosender See, aber eben auch weit weg von allem Übrigen. Belmopan lag, ob günstiger- oder bedauerlicherweise, zufällig an der Kreuzung einiger größerer Highways und wurde plötzlich zum idealen Regierungssitz.

Zehn Minuten verbringen wir hier, bevor wir in Richtung Westen weiter durch die Provinz Cayo fahren. Für Europäer ist die Reise in unserem Minivan ein bisschen schnell, die Schlaglöcher ein bisschen tief. „Belize hat keine Raffinerien“, erklärt Tourguide Marvin, während er Schlagloch um Schlagloch umfährt. „Wir bringen Unmengen Öl nach Guatemala und fahren es anschließend als Benzin oder Diesel wieder ins Land zurück. Die Tanklaster fahren alle über diesen Highway und machen die Straße kaputt.“

Der anhaltende Regen tut sein Übriges, um die immer wieder mit Schotter geflickten Löcher erneut auszuspülen. Seit Beginn der Trockenzeit im Oktober fiel in Belize mehr Wasser vom Himmel als während der gesamten letzten Regenperiode im Sommer.

Belize Straßenbrücke
Die Straßen sind eine Ohrfeige für jeden SUV-Fahrer in europäischen Großstädten

Die Flüsse führen Hochwasser, niedrige Brücken sind gesperrt und auch die Fähre über den Belize-River stellt ihren Dienst am Vormittag ein. Damit ist das eigentliche Ziel unseres Ausflugs zum Opfer des Wetters geworden. Statt zu den imposanten Mayaruinen in Xunantunich zu fahren, verlassen wir den Highway und kommen nach San Ignacio.

Zweifellos sind wir in Zentralamerika. Der lebendige Ort liegt mitten im Urwald an einem Seitenarm des Belize Rivers. Farbenfrohe Gebäude, Dichte enge Straßen mit viel zu vielen Autos und noch viel mehr Menschen in ihnen. Vor allem ist die Stadt berümt für den größten Wochenmarkt in ganz Belize. Eine Markt mit Tradition. Wir passieren ihn Dorf aus Plastikplanen unter grauen Wolken.

Unser Ziel liegt hoch über der Stadt. Bereits 900 v.Ch lag hier eine bedeutende Maya-Siedlung. Ihre fast zweitausend Jahre lange Geschichte gibt, wie die meisten Mayazentren, mehr Rätsel als Antworten auf: Ihr ursprünglicher Name ist unbekannt. Heute trägt die Ausgrabungsstätte, die noch immer zu einem großen Teil unter dichtem Dschungelgrün verborgen ist, den verräterischen Namen „Cahal Pech“. – Im regional gesprochenen Maya-Dilekt „Ort der Zecken“.

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Ganz unwillkürlich sprühen wir Schuhe und Waden noch einmal besonders gründlich mit Insektenspray ein, bevor wir in anhaltendem Dauerregen die historische Stätte erkunden.

Unsere Route durch Belize zwischen den Inseln und an Land
Unsere Route durch Belize zwischen den Inseln und an Land

Cahal Pech ist klein und war, wie heute San Ignacio, ein Handelsplatz. Die Maya tauschten hier Güter aus der Küstenregion mit Waren aus dem tiefen Binnenland des heutigen Guatemala.

Der strömende Regen verzaubert den Ort und hilft, die Fantasie zu beflügeln. In der Vorstellung wird Cahal Pech schnell zur lebendigen Stadt. Beim Erforschen der Gebäude, Plätze und Pyramiden sollte man an so einem Tag allerdings besondere Vorsicht walten lassen.

Unser Ausflug nimmt ein schnelles Ende, als Tourguide Marvin, ganz Gentleman, eine helfende Hand auf den rutschigen Treppen anbieten möchte und selbst ins Rutschen gerät. Nur Sekunden später lehnt er zwanzig Treppenstufen tiefer an einer Mauer. Sein rechter Arm hängt schlaff herunter und es braucht keinen Arzt, eine ausgekugelte Schulter zu diagnostizieren.

Nach einem Langen Nachmittag im Krankenhaus treten wir den Rückweg an. Viel haben wir nicht gesehen, aber genug um zu wissen: Die Entscheidung an der Küste Mittelamerikas nach Süden zu reisen war die Mühe wert, gegen den Golfstrom zu segeln.


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