Nimm meinen!

Bevor ich das vergesse… – zwei Erkenntnisse des heutigen Tages:

  1. Großzügigkeit ist in den USA keine Sache, die man nur unter Freunden anwendet.
  2. Die Amerikaner haben ein Versorgungsproblem.

Letzteres bemerkte ich allerdings schon im Laufe der Woche. Nicht, dass der Durchschnittsamerikaner den Eindruck erwecken würde, Hunger zu leiden. Die wirkliche Notlage besteht an anderer Stelle. Die Shopping Malls liegen in der Regel einige Kilometer außerhalb der Orte auf der grünen Wiese, wo Landpreise klein und der Platz groß ist.
Die Konsequenz liegt auf der Hand. Abgesehen von Kiosken überlebt kein Laden in den Orten diese Konkurrenz. Wer also mit seinem Segelboot den belebten Hafen einer Stadt ansteuert, findet in fußläufiger Weite Folgendes: Chips, Schokoriegel und „Lebensmittelregale“, deren Auswahl sich auf Nudelsoßen, Toastbrot und „Heat and Eat“-Gerichte beschränkt.
Da liegt es nahe, nach einer Woche ohne Obst und Gemüse in Kauf zu nehmen, ein Taxi zum Einkaufen zu rufen, um wenigstens etwas für die morgen beginnende Etappe nach New York an Bord zu haben. Also führte der Weg heute Nachmittag an die Club Bar des East Greenwich Yacht Club mit der Frage, ob man mir ein Taxi organisieren könnte. – Achselzucken. „So etwas gibt es hier nicht.“
Ein smarter Amerikaner in Hemd und Bügelfaltenhose steht von seinem Platz am Tresen auf, streckt die Hand aus. „Bist du auf der Durchreise per Boot? Nimm mein Auto, ist schon etwas betagt und die Klimaanlage funktioniert nicht, aber der Rest ist in Ordnung. Wenn ich nicht mehr hier bin, lass den Schlüssel unter der Sonnenblende und die Fenster offen.“
Zwei Minuten später sitze ich mit Brian Adams „Summer of ‘69“ im Ohr in einem (ich würde es eher fast neuen nennen) Jeep Cherokee Richtung Mall.


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