60 Grad Nord

Angekommen. Aaland Inseln. Finnland. „The Country where I want to be“, sang Monty Python mit seinem Flying Circus einst über dieses Land. Aber nach dem Pony Tracking aus dem Song ist mir so gar nicht zumute. Irgendwo ist mir der Maßstabswechsel der Karten entgangen und so stehe ich, genau zur einzig dunklen Stunde, oberhalb von 60° Nord vor den Aalands. Auf der Uhr steht 1:45 Uhr. Auf meinen Reiseplan „Leuchtturm Marhällan ca. 4:30 Uhr“. Dazu liegt zwischen mir und dem normalerweise nie ganz dunklen Himmel eine schwere Wolkenschicht und es wird tatsächlich duster. Abends losfahren, im Zwielicht nordischer Sommernächte segeln und im roten Schimmer des Morgens ankommen. Schöne Fotos der aufgehenden Sonne über den ersten finnischen Felsen. Festmachen in Mariehamn um 6 Uhr und dann den Tag im Hafen genießen. Das eine ist der Plan, das andere die Realität. Das erste gewinnt manchmal, das andere immer. Also fange ich an die Leuchtfeuer auszuzählen und finde sogar meinen Leuchtturm. Es weht – wenn man das so nennen möchte – genau von Achtern und die Windfahne kann nicht steuern, wenn das Boot genauso schnell ist wie der Wind. Der elektrische Autopilot hat sich irgendwo vor Nyhäshamn in Schweden verabschiedet und kennt nur noch die Kurse 242 Grad und 56 Grad. Beides passt nicht zu meinem Kurs. Dazu rührt eine grausliche Dünung von Südwesten die „Sea of Aaland“ gewaltig durch. Irgendwo in der Zentralen oder Südöstlichen Ostsee muss es wehen, richtig wehen. Hier nicht. Gut so, sonst wäre ich noch früher da. Ich bin überrascht, wie genau ich die drei Blinks vom Leuchtturm angesteuert habe. Gesegelt bin ich bisher eher nach Gefühl und vor allem immer am Limit zur Patenthalse, damit die Genua vernünftig steht. Marhällan muss an Backbord bleiben, irgendwo rechts daneben muss eine Nord-Kardinaltonne liegen. Wenn sich die Finnen an die Beleuchtungsregeln halten, müssten bald rund einhundert Blitze pro Minute auftauchen. Südlich davon „Rocks awash“ – Steine in Höhe des Meeresspiegels. Nördlich zwölf Meter tiefes Wasser. So ist Segeln in den Schären: Das Echolot kann abgeschaltet bleiben. Wenn es einen Stein anzeigt, sitzt man schon drauf.
„Vessel entering fairway of Mariehamn at two knots near lighthouse Marhällan. This is finnish coast guard calling on channel sixteen”, brabbelt das Funkgerät. Ich schaue mich um; die Fähre hinter mir dürft eher zwanzig Knoten laufen. Dann bin wohl ich gemeint – unauffällig wie ein Schmuggler, mit eingeschaltetem Radarechoverstärker und Dreifarbenlaterne im Topp. „Finnish Coast guard, this is german sailingvessel Paulinchen at given position and speed replying, good morning sir.“ In Momenten wie diesen hilft nur unbändige Freundlichkeit.
“Good morning Sir, could you please come to channel ten?”
Ich tippe die 10 in den Hörer. „Finnish Coastguard, Paulinchen on channel ten“
“Could you give me your last port and time of departure and your destination please?”
“Sure, I am on way from Gräddö, Sweden. Departure was around half past five pm and I expect to arrive at Mariehamn Western Port in about one hour.”
“Thank you sir, have a good watch and welcome to Finland, back to sixteen”
Da war wohl jemand kurz vorm Eindösen und brauchte etwas, um wieder wach zu werden. Ich helfe ja gern.


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